Moderne Buchkunst seit 1960 - Eine private Sicht -  
   

Brigitte Milde - Deutschland

E-Mail vom 09.02.2004

 

1. Warum machen Sie Künstlerbücher?

Künstlerbücher mache ich, weil trotz Massenbuchproduktion ein Grundbedürfnis des Bücherfreundes unerfüllt bleibt: das nach der Qualität des Materials. Denn neben dem intellektuellen und emotionalen Erlebnis, das aus dem Lesevorgang und dem Betrachten der Abbildungen resultiert, zählt nicht minder das Erleben des Taktilen (des Papiers und der auf das Papier aufgedruckten Farbe, des Gewichts, des Einbands, des Formates). Ein Buch ist für mich eine feste Verbindung von Pappen und Papieren (also keine Loseblattsammlung). Mein heimliches Lieblingsthema sind Bücher, die, fest verbunden, dennoch unterschiedliche Blattkonstellationen innerhalb der Bindung zulassen. Dadurch gewinnt der Nutzer Freiräume, verschiedene, ihm selbst gemäße Versionen zu erstellen. Das ideale Künstlerbuch ist also etwas ganz anderes als ein herkömmliches Buch, es ist Kunstobjekt, Informationsträger, ästhetisches Produkt - alles gleichzeitig und untrennbar in einem.

2. Welche Rolle spielt für Sie der Text, wenn Sie an einem Künstlerbuch arbeiten?

Die Idee für ein Buch trage ich viele Monate mit mir herum, bevor sie realisiert wird. Mit Idee meine ich jedoch nicht einen Text oder gar eine Handlung, auch keine vorgefertigten Bilder, sondern das Gesamtobjekt Buch. In dieser Inkubationszeit wird das Projekt gedanklich entwickelt, konkretisiert, verbessert... und zwar in einem wechselseitigen Überdenken von Text, Bild, Gestaltung, Ausstattung und Bindung. Die Realisation erfolgt auf dieser Basis, kann im Einzelnen jedoch auch Zufälliges, Spontanes einschließen (oft werden realisierte Zwischenstufen wieder verworfen).

3. Wie sollte das Verhältnis zwischen Text und Bild für Sie sein?

Text und Bild sind nicht zu trennen. Das Bild illustriert nicht, sondern zeigt das Ungesagte. Der Text beschreibt nicht, sondern erzählt das nicht Gezeigte. Aber nicht nur Text und Bild, auch das Material, die Ausstattung, der Einband gehören dazu, manchmal sogar Noten (für Menschen, die diese gedanklich in Töne umzusetzen verstehen) oder (für solche, die dies nicht können) eine CD.